Mail info@marktapotheke-greiff.de Telefon +49 (0) 8573 96 99 10 Versand Gratis-Versand DE-weit ab 50€*

Tierarzneimittelgesetz § 50 – eine kritische Betrachtung

Am 28. Januar 2022 wurde die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung verabschiedet. Seither hat unsere Tierexpertin Johanna viele frustrierte naturheilkundlich-orientierte Tierbesitzer:

Johanna: Guten Tag, wie darf ich Ihnen helfen?
Tierbesitzer
: Mein Hund Louis wurde vorhin von einer Biene gestochen. Ich bräuchte für ihn bitte homöopathische Globuli „Apis D6“ von der DHU.

Johanna: Es tut mir sehr sehr leid, ich habe dieses Mittel vorrätig, aber nur mit einer Zulassung zur Anwendung am Menschen. Für Ihren Hund Louis darf ich Ihnen dieses Produkt aber leider seit Anfang diesen Jahres nicht mehr verkaufen.
Tierbesitzer (reagiert verständnislos): Weshalb denn das? Diese Globuli verabreiche ich schon seit Jahren bei Insektenstichen! Das hat immer sehr schnell geholfen, sowohl bei mir selbst, als auch bei meinem Hund Louis.

Johanna: Ja, ich bin ganz bei Ihnen. Aber leider sieht dieses neue Gesetz vor, dass auch naturheilkundliche Mittel einer Zulassung für die Anwendung bei der jeweiligen Tierart bedürfen. Oder dass homöopathische Arzneimittel, wenn sie – wie die meisten homöopathischen Einzelmittel – für die Anwendung am Menschen registriert sind, vom Tierarzt verschrieben werden müssen.
Tierbesitzer (jetzt leicht verärgert): Sie wollen von mir jetzt also ein Rezept vom Tierarzt? Für Apis-Globuli? Bis ich da einen Termin habe, hat sich der arme Kerl bestimmt schon wund geleckt vor Schmerz und Juckreiz. Von den zusätzlichen Kosten mal ganz zu schweigen!

Johanna: So leid es mir tut – von der DHU gibt es leider diese Globuli nur mit einer Zulassung für Menschen und deshalb bin ich verpflichtet, von Ihnen für dieses Arzneimittel eine tierärztliche Verordnung zu verlangen.
Tierbesitzer: Dafür hab ich wirklich überhaupt kein Verständnis. Dann machen wir jetzt zuhause einen Quarkumschlag – oder brauch ich dafür auch ein Rezept vom Tierarzt???

Die wichtigsten Inhalte des TAMG § 50 kurz zusammengefasst

Verschreibungspflichtige und nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel (die nicht explizit für Tiere zugelassen sind, z.B. Humanarzneimittel) dürfen nur durch Tierärztinnen und Tierärzte verordnet werden.

Unter diese nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel fallen unter anderem:

  • apothekenpflichtige Arzneimittel
  • Phytotherapeutika
  • Schüssler-Salze
  • Spagyrische Essenzen und Mischungen
  • Original Bachblüten-Essenzen
  • homöopathische Einzelmittel
  • Blutegel

Personen ohne veterinärmedizinische Approbation dürfen diese Arzneimittel nur noch anwenden, wenn sie vom behandelnden Tierarzt verschrieben oder abgegeben wurden und die Anwendung gemäß einer tierärztlichen Behandlungsanweisung erfolgt. Ein Verstoß durch Tierbesitzer oder Tierheilpraktiker gilt als Ordnungswidrigkeit und kann mit bis zu 30.000 € geahndet werden!

Dunkle Zeiten für die Naturheilkunde?
Dunkle Zeiten für die Naturheilkunde?

Ist das neue TAMG wirklich ein Fortschritt für das Tierwohl?

So mancher wird sich nun fragen, wozu das Ganze? Laut Bundesministerium sei das neue Tierarzneimittelgesetz dringend notwendig gewesen, um unter anderem ein „hohes Schutzniveau für die Tiergesundheit, den Tierschutz …“ zu gewährleisten. Auf den ersten Blick erhält man auch den Eindruck, dass bei den neuen Regelungen das Tierwohl einen hohen Stellenwert einnimmt.

Aber:

Die Änderungen des § 50 des TAMG sind weitreichend und wurden auch bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes sehr kontrovers diskutiert!  Die oben genannten nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel, wie homöopathische Einzelmittel (z.B. Arnica D6), die sich seit vielen Jahrzehnten auch bei der Anwendung bei Tieren bewährt haben, dürfen nun nur noch mit einer tierärztlichen Verordnung abgegeben werden. Der Grund: die meisten dieser Mittel sind nur für den humanmedizinischen Bereich registriert oder zugelassen, und eben nicht explizit für Tiere.

Warum werden diese Mittel nicht einfach für Tiere zugelassen?

Das liegt daran, dass eine Zulassung und Registrierung einen immensen bürokratischen Aufwand und hohe Kosten mit sich bringt. Zudem ist dieser Prozess für jede Tierart und jede homöopathische Potenz separat durchzuführen. Dies können sich nur große Player im Arzneimittelbereich leisten – für „kleinere“ Hersteller, die diesen Aufwand nicht finanzieren können, fallen ganze Produktgruppen nun aus der Herstellung und dem Sortiment. Dies führte gleich nach Verabschiedung des neuen TAMG zu einer starken Marktbereinigung und einer Zentrierung auf nur noch ein paar wenige große Hersteller.

Ob das wirklich dem Tierwohl dienlich ist, darf sicherlich kritisch hinterfragt werden.

Tiertherapeutische Berufsgruppen – Behandlungsvielfalt ade?

Vor allem für Tierheilpraktiker, die ihre therapeutischen Schwerpunkte auf klassische Homöopathie und Pflanzenheilkunde gelegt haben, stellen die neuen Regelungen eine massive Beschränkung in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit dar. Einige Tierheilpraktiker-Verbände sehen seitdem ihren Berufsstand in Gefahr und empfinden das neue Tierarzneimittelgesetz als „teilweises Berufsverbot“, da viele naturheilkundliche Mittel nun unter den tierärzlichen Vorbehalt fallen, also unter die Verschreibungspflicht durch den Tierarzt.

Aber: Können wir es uns leisten, auf Tierheilpraktiker zu verzichten?

Viele Tierheilpraktiker verfügen nicht nur über einen großen Erfahrungsschatz zu naturheilkundlichen Verfahren und Arzneimitteln. Sondern sie schließen auch eine Lücke in der Versorgung! Denn gerade im ländlichen Bereich, schreitet der Ärztemangel nicht nur bei den Humanmedizinern voran, oft ist der Weg zur nächsten Tierarztpraxis weit und die Wartezeit dann lang.

Wir meinen, dass der Berufsstand der Tierheilpraktiker vor diesem Hintergrund eine größere Wertschätzung erhalten sollte.

Es geht in diesem Blog-Artikel schwerpunktmäßig nur um § 50 „Anwendung von Tierarzneimitteln“ des TAMG. Auf die anderen Bereiche einzugehen würde den Umfang dieses Artikels sprengen.

Doch in Anbetracht der oben genannten Auswirkungen dieses Paragraphen auf Tierhalter, Tierheilpraktiker und auch auf die Tiere selbst, muss Kritik und ein kritischer Diskurs mit der Verabschiedung dieses Gesetzes erlaubt sein.

Wir würden uns wünschen, dass für die Anwendung von bewährten naturheilkundlichen Mitteln Ausnahmeregelungen im Gesetz geschaffen werden, damit nicht nur Tierheilpraktiker wieder eine rechtskonforme Handlungsgrundlage haben, sondern auch die Beratung in der Apotheke wieder möglich wird.

Quellen & Literatur

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Justiz, URL: https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=tierarzneimittelgesetz (Stand: 26.10.2022)

Deutscher Apotheker Verlag Dr. Roland Schmiedel GmbH & Co. KG, URL: https://www.ptaheute.de/aktuelles/2022/02/01/humanarzneimittel-fuer-tiere-nur-noch-auf-rezept (Stand: 26.10.2022)

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), URL: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/11-neues-tierarzneimittelrecht-2022.html (Stand: 27.10.2022)

Deutsche Homöopathie-Union DHU-Arzneimittel GmbH & Co. KG, URL: https://dhu-tierarznei.de/impressum.html (Stand: 27.10.2022)

Schlütersche Fachmedien GmbH, URL: https://www.vetline.de/das-tamg-staerkt-den-tierarztvorbehalt                (Stand: 26.10.2022)

Dr. Judith Hamann – Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,                                                 URL: https://www.lgl.bayern.de/tiergesundheit/tierarzneimittel/faq_tierarzneimittelrecht_druck.htm?                  (Stand: 27.10.22)

Sabine Göb – Anstalt des öffentlichen Rechts, https://www.br.de/nachrichten/bayern/abzocke-oder-mehrwert-investoren-uebernehmen-tierarztpraxen,T8zJf23 (Stand: 27.10.2022)

Dr. med. vet. Elke, Fischer (2008), Homöopthie für Katzen, 1. Auflage, München